In dieser Woche beginnt für viele Kinder in NRW ein neuer Lebensabschnitt: der erste Schultag. Ein Tag, der häufig mit Stolz, Aufregung und Vorfreude verbunden ist. Für Kinder, die in Pflegefamilien leben, bringt dieser Übergang jedoch oft ganz besondere Herausforderungen mit sich.
Pflegekinder haben häufig bereits mehrere Brüche, Verluste und Übergänge in ihrem jungen Leben erlebt. Die Einschulung bedeutet für sie nicht nur den Eintritt in ein neues Bildungssystem – sie ist auch ein weiterer Einschnitt, der mit zahlreichen emotionalen und sozialen Anforderungen einhergeht.
Neue Bezugspersonen, neue Abläufe, neue Regeln – all das kann bei Kindern, die Sicherheit nur bedingt oder unter erschwerten Bedingungen erfahren haben, zu Unsicherheit, Rückzug oder herausforderndem Verhalten führen. Manche reagieren mit auffälliger Aktivität, andere mit Überangepasstheit. Und viele tragen einen „Rucksack“ voller Erfahrungen mit sich, den Außenstehende nicht auf den ersten Blick erkennen.
Für Pflegeeltern ist der Schulstart ihres Pflegekindes ein Tag, der mit Stolz, aber auch mit Sorge verbunden sein kann:
Wird das Kind gut ankommen?
Wird seine Geschichte mitgedacht – oder missverstanden?
Werden wir als Pflegefamilie ernst genommen und einbezogen?
Gute Kooperation mit Lehrkräften ist hierbei zentral. Pflegefamilien bringen nicht nur Fürsorge, sondern oft auch fachliche Begleitung mit – durch Jugendhilfeträger, Familienberater*innen oder Therapeuten. Dies eröffnet Chancen, stellt aber auch Anforderungen an Kommunikation, Haltung und Schulstruktur.
Viele Lehrkräfte wünschen sich mehr Sicherheit im Umgang mit Kindern in Pflegefamilien – und mit deren individuellen Bedürfnissen. In der Realität fehlt es jedoch oft an Zeit, Information und institutioneller Unterstützung.
Dabei sind folgende Aspekte besonders wichtig:
Beziehungsaufbau geht vor Leistungsbewertung.
Verhalten ist Kommunikation – nicht Provokation.
Stabile Beziehungen und vorhersehbare Strukturen helfen Kindern, Vertrauen aufzubauen.
Schulen, die in multiprofessionellen Teams arbeiten und Pflegefamilien aktiv einbeziehen, können hier wichtige Schutzfaktoren sein.
Wir als Netzwerk Pflegefamilien wünschen allen Kindern, die jetzt eingeschult werden – und besonders den Kindern in Pflegefamilien – einen Start voller Zuversicht, Beziehung und Würdigung. Und allen Pflegefamilien danken wir für ihre Begleitung an diesem bedeutsamen Tag.
Denn Schulstart ist nicht nur ein organisatorischer Meilenstein – er ist auch ein Moment der Haltung:
Wie begleiten wir Kinder, deren Geschichte nicht mit einer Schultüte beginnt – sondern mit einem Systemwechsel?